Leipertitz

Historie von Leipertitz


Ein Heimatbüchlein



 

Leipertitz

 

BEZIRK NIKOLSBURG

        SÜDMÄHREN        


EIN HEIMATBÜCHLEIN

 

VON

DR. JOHANN ZABEL

WIEN 1955

IM SELBSTVERLAG DES VERFASSERS

WIEN XXI, KINZERPLATZ 24/45

 



INHALT:

Liebe Leipertitzer!
Beschreibung und wirtschaftliche Lage der Gemeinde
Geschichtliche Rückblicke
Kriegszeiten
Epidemien
Grossbrände
Die Pfarrkirche
Der Turm
Das Innere der Kirche
Die Pfarrer von Leipertitz
Der Friedhof
Kreuze und Statuen
Die Volksschule
Leipertitz zwischen 1918-1946
Die Bürgermeister von Leipertitz
Unsere Gefallenen und Vermißten
Hausbesitzer und Einwohner von Leipertitz im Mai 1945
Grenzbegehung
Die Flurnamen von Leipertitz
Der Fronleichnamstag
Das Kirchweihfest
Organisationen und Vereine
Wirtschaftsüberblick
Benützte Geschichtsquellen



 

Liebe Leipertitzer!

Zehn Jahre sind es bald seit unserer Vertreibung. Auf allgemeinen Wunsch lege ich Euch nun dieses Büchlein vor, um allen die Heimat wieder nahezubringen.

Ich habe die Arbeit mit großer Freude gemacht, denn Heimatbringer zu sein ist eine viel schönere und dankbarere Aufgabe, als den Mitmenschen die Heimat zu rauben.

Es ist nicht nur mein Werk. Ich muss vielen für ihre rege Mitarbeit danken: ganz besonders Leopold Braun Nr. 107 für die vielen Beiträge und Anregungen; ferner Jakob Anger Nr. 124, Josef Hofka Nr. 154, Johann Nautscher Nr. 120, Leopold Zitzwarek Nr. 33; in Wien besonders Leopold Donauer Nr. 261 und Johann Fischer Nr. 375. Den Ortspaln zeichnete Vermessungstechniker Alfred Apleitinger (vermählt mit  Rudolfine Bischl).

Für ein kleinere Gemeinde ist ein grosses Heimatbuch finanziell nicht tragbar. Deshalb haben wir uns entschlossen, es nicht zu umfangreich zu machen, ihm aber eine gute Ausstattung und schöne Bilder zu geben. Alles Wissenswerte ist kurz aber genügend enthalten. Freilich gäbe es noch viel mehr über die verlorene Heimat zu sagen. Lest deshalb immer wieder darin und ergänzt es durch Eure Erzählungen, betrachtet öfter die Bilder und studiert den Ortsplan! Gebt es Euren Kindern weiter, damit das Bild der Heimat in uns allen lebendig bleibe und leuchte!

Ich hoffe mit Euch und wünsche

 

„dass wir uns dort in diesem Tal

noch treffen soviel hundertmal.

Gott mag es schenken,

Gott mag es lenken,

Er hat die Gnad´!“

 

Euer Heimatpfarrer

Prof. Dr. Johann Zabel

  

Wien, zu Pfingsten 1955.

   

 

Beschreibung und wirtschaftliche Lage der Gemeinde

In der Nordwestecke des Kreises Nikolsburg, im sonnigen Südmährerlande, liegt, inmitten einer fruchtbaren Ebene, unsere Gemeinde Leipertitz. Sie umfasst ein Katastralgebiet von 2.225,49 ha und zählte 1318 Einwohner, durchwegs Deutsche mit röm.-kath. Religion. Seine Bewohner lebten mit Ausnahme einiger Gewerbetreibender hauptsächlich von der Landwirtschaft, betrieb dabei auch Viehzucht und etwas Gemüse- und Weinbau.

Leipertitz liegt 18 km nordwestlich der Kreisstadt Nikolsburg an der Verbindungsstrasse Nikolsburg – Znaim. Kreisstrassen verbinden Leipertitz im Norden mit Irritz, südöstlich mit Dürnholz, südlich mit Grusbach, westlich mit Frischau. Verbindungswege führen nach Treskowitz, Fröllersdorf, Probitz, Moskowitz und Tullnitz. Durch die 3 km entfernete Bahnstation Frischau ist der Ort angeschlossen an den Verkehr mit Brünn, Znaim, Nikolsburg, Lundenburg und Wien. Autobuslinien gaben die Möglichkeit, alle Orte an der Verbindungsstrasse zwischen Nikolsburg und Znaim schnell zu erreichen.

Der höchste Punkt von Leipertitz ist die Fuchsleiten mit einer Höhe von 234 m, 2 km südlich des Ortes gelegen. Von hier aus eröffnet sich eine weite Fernsicht nach Norden zum Miskogel, südöstlich zu den Pollauer Bergen (mit den Ruinen Maidenburg, Rosenburg und dem südmährischen Heldendenkmal) zu den Nikolsburgen Bergen mit dem Hl. Berg, der Bezirksstadt Nikolsburg mit dem Schloss Dietrichstein. Vom österreichischen Gebiet grüßen der Falkenstein und der Staatzerberg mit ihren Burgruinen herüber.

Die Ortschaft Leipertitz liegt zum Teil in einer Mulde, umgeben von vielen Robinien, allgemein Akazien genannt, die zur Zeit der Blüte das Dorf in ein Meer von rötlich-weißen Blüten hüllen. Wie aus einem Walde ragt weithin sichtbar das Wahrzeichen der Gemeinde, der Kirchturm, empor.

Leipertitz ist seiner Anlage nach eine alte Siedlung. Die ersten Ansiedlungen reichen in das zwölfte Jahrhundert zurück und dürften durch den Lauf des Ortsbaches bedingt gewesen sein. Dieser nach dem Dorf Leipertitz benannte Bach entspringt einigen Quellen in der Nordwestecke des Gemeindegebietes. Er speist den künstlich angelegten Ortsteich, durchfließt in südöstlicher Richtung Dorf und Gemeindegebiet und mündet bei Dürnholz in die Thaya.

Die von Norden nach Südwesten durchlaufende Straße teilt den Ort in zwei Teile. An der linken Seite steht die im Jahre 1885 erbaute Schule, ein schöner einstöckiger Bau. Vor der Schule wurde 1921 das Kriegerdenkmal errichtet. Auf dem 226 m hoch gelegenen Kirchenplatz steht die dem hl. Georg geweihte Pfarrkirche mit dem 37 m hohen Kirchturm. Gegenüber ist der Pfarrhof, ein alter, ebenerdiger Bau mit gewölbten hohen Räumen und gewaltigem Dach. An derselben rechten Straßenseite liegen das Gemeindegasthaus, die Gemeindekanzlei, das Postamt und westlich das Rüsthaus der Freiwilligen Feuerwehr mit dem Schlauchturm. Gleich anschließend ist der Hauptplatz, seit 1939 von jungen Kastanienbäumen umsäumt. Dort wurden die beiden Kirchtage, das St. Georgsfest und das Kirchweihfest im Herbst, und andere Feste und Feiern sämtlicher Vereine gehalten. Der Platz sollte in Zukunft als Marktplatz eine besondere Verwendung finden.

Eine offizielle Benennung der Gassen gab es nicht. doch der Volksmund hatte folgende Bezeichnungen eingeführt: Großes Dorf, kleines Dorf,  die Zeile, Hetscherlberg, Mariahilf, die Wehr, Teichgasse, Totengasse, Milchgründl und Ochsenberg. Für die leiblichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung sorgten: 5 Gemischtwarenhandlungen, 2 Bäcker, 2 Fleischer, 3 Gastwirte, 2 Trafiken, 3 Schmiede, 1 Schlosser, 2 Tischler, 2 Maler, 4 Schneider, 3 Schuster, 1 Sattler, 10 Maurer und 3 Zimmerleute.

Die Bewohner betätigten sich in verschiedenen Vereinen. Gesangverein, Turnverein und Jugendbund standen auf hoher Stufe. Deutscher Kulturverband, Bund der Deutschen und Volksbund der deutschen Katholiken fanden die vollste Unterstützung der Einwohner. Daneben wurden berufliche und landwirtschaftliche Vereine (wie Milchgenossenschaft, Viehversicherung, Wassergenossenschaft und gegenseitige Hilfe in der Freiwilligen Feuerwehr) gepflegt.

Durch den reichlich vorhandenen, vielseitig fruchtbaren Ackerboden und den Fleiß der Bewohner war der Feldbau sehr erträglich. Angebaut wurden: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer; an Hülsenfrüchten: Linsen, Erbsen, Bohnen, Hirse; von den Kleesorten: Luzerne, Rotklee, Esparsette (die zur Heugewinnung dienten, aber auch als Samenfrucht große Erträge abwarfen); an Hackfrüchten: Mais, Kartoffel, Futter- und Zuckerrüben. Durch die nahegelegene Zuckerfabrik Grusbach war der Absatz von Zuckerrüben besonders günstig. Auch der feldmäßige Anbau von Frühkartoffeln, Gemüse, Gurken und Tomaten fand bis 1918 in der Monarchie und dann nach 1938 durch den Anschluß an Deutschland ein bedeutendes Absatzgebiet. Im allgemeinen pflegte man noch die Dreifelderwirtschaft, doch wurde die Brache durch die grüne Brache ersetzt.

Die Rindviehzucht wurde mit großer Sorgfalt betrieben und ausschließlich Stallfütterung angewendet. Die Gemeinde hielt im Halterhaus (Nr. 62) 4 bis 5 reinrassige Sprungstiere in eigener Verwaltung, die von einem Wärter betreuet wurden. Der Milchertrag war gut. Die Milch wurde an die Milchgenossenschaft geliefert und von dort aus weiter verfrachtet.

Ein ganz bedeutender Erwerbszweig war die Schweinezucht, besonder die Ferkelaufzucht. Unsere Ferkel waren weit und breit bekannt und begehrt. Fast in jedem Haus gab es 2 bis 3 Zuchtsauen, oft auch mehr. Die Ferkel wurden jeden Mittwoch auf den Markt nach Dürnholz gebracht oder an Käufer und Händler gleich im Haus verkauft. Außerdem wurde die Schweinemast sehr betrieben, weil genug Ferkel vorhanden waren. Jedes Jahr waren Hausschlachtungen von 3-4 Fettschweinen gebräuchlich und darüber hinaus wurde noch ein große Zahl von Fleisch- und Fettschweinen an die Fleischer verkauft.

Die Freude und der Stolz unserer Bauern waren ihre schönen Pferde. Darum wurde der Pferdezucht durch die Beschälstationen in Dürnholz und Irritz für leichte englische Halbblut und Oldenburger, und in Miezmanns und Schallersdorf für schwere Belgier, ein große Beachtung zuteil. Von einzelnen Züchtern wurden auch verschiedene Preise errungen.

Die Geflügelzucht wurde stark betrieben. In den Häusern gab es Scharen von Hühnern, Enten und Gänsen. Besonders diese waren als Kirtagsbraten sehr beliebt. Gab es auch bei der Aufzucht oft Ärger und Verdruß, war doch alle Arbeit belohnt, wenn die Gans knusprig braun gebraten auf dem Tische lag.

Dem Weinbau, der durch das Auftreten der Reblaus und den Mangel an Arbeitskräften im ersten Weltkrieg fast den Todesstoß erhielt, wurde in den Jahren nach dem Kriege trotz Einführung der Weinsteuer und Kontrollierug der Weinkeller eine große Sorgfalt zugewendet. Es wurden nur Anpflanzungen mit veredelten Setzlingen durchgeführt. Die beliebtesten Weinsorten waren: Gutedel, rotweiße und grüne Veltliner, Sylvaner, Neuburger, Riesling und Welschriesling. Trotz des Verbotes wurden auch einige französische Direktträgersorten angepflanzt. So war fast in jedem Haus Wein zum Eigenverbrauch vorhanden.

Der Obstbau hatte durch das schwere Gewitter am 18. Juli 1910 sehr gelitten, da ein orkanartiger Sturm Kirsch-, Nuß- und Birnbäume entwurzelte. Den Rest gab noch der strenge Winter 1928/1929 mit einer Kälte bis zu 33° Celsius unter Null. Trotzdem gab es in den Hofstetten, Wehrhagen und Altengebirg Kirschen und Weichsel noch in solchen Mengen, dass von manchem Baum oft keine einzige Frucht geerntet werden konnte und alle Früchte den Staren als Futter dienten. In den Gärten gab es genug Äpfel und auch Birnen wurden immer wieder neu gepflanzt. Marillen und Pfirsiche wuchsen vereinzelt in den Weingärten. Die zur Herstellung des beliebten südmährischen „Glegweri“ (Powidl) gebrauchten Zwetschken und Pflaumen wuchsen in Gärten, Altengebirg und Hausgärten (Grasgärten) in allen Sorten und Größen. Auch Maulbeerbäume gab es fast in jedem Hause.

Groß war die Wildbestand der Gemeindejagd. Jährlich wurden durchschnittlich 1200 Hasen, 1900 Rebhühner, 300 Fasanen und 20 Rehe abgeschossen. Auch Dachse wurden zur Strecke gebracht. In den Langen Achtvierteläckern und Langen Zugaben kam auch die Trappe, der Südmährische Strauß, vereinzelt vor. Wildenten hielten sich im Ortsteich auf, Wildgänse ließen sich im Herbst in großen Scharen auf den Feldern nieder. Wehe, wenn sie ein noch nicht abgeerntetes Maisfeld vorfanden!

Die Fischzucht im Ortsteich, der alljährlich im Frühjahr mit Ansatzkarpfen besetzt und am 31. Oktober abgefischt wurde, lieferte eine schöne Menge Karpfen, die von der Bevölkerung für den Allerheiligentag und von Händlern aufgekauft wurden.

Auch die Bienenzucht hatte schöne Erfolge erzielt. Im Jahre 1935 betreuten 13 Imker 292 Bienenvölker. Ein Imkerverein sorgte für Belange der Bienenzüchter.

Der Gemeindewald um das Dorf, in der Wehr, Neusatz, unter Paulowitz, Unteres Kroatengebirg und die Stümmelbäume am Ortsbach und Paulowitzergraben lieferten einen Großteil des Brennholzes. Der Baumbestand wurde durch Neuanpflanzung von Weiden in Unter Paulowitz ständig vergrößert. Die mit Akazien bepflanzten Flächen wurden jeweils in Abständen von 6 bis 8 Jahren, die Erlen- und Weidenbestände nach 8 bis 10 Jahren abgeholzt.

Zwei kleine Flächen Gold- und Silberweiden in Unter Paulowitz und Neusatz lieferten Schnittweiden für Flechtarbeiten (Körbe usw.)

Die Gemeindewiesen in Unter Paulowitz und in der Schwelle wurden alljährlich zur zweimaligen Nutzung verkauft.

 

Geschichtliche Rückblicke

Die Entstehung des Ortes Leipertitz ist nicht näher bekannt. Im Jahre 1278 wird Leipertitz das erste Mal in einer Urkunde erwähnt unter dem Namen Lupratitz. Schon damals besteht dort eine Kirche und Pfarre. Diese Tatsache weist darauf hin, dass es 1278 schon ein größerer Ort gewesen ist. Vom Jahre 1395 bis 1450 gehörten Kirche und Dorf der 1120 gestifteten und 1541 eingegangenen Benediktinerabtei Wilemow (bei Èaslau) in Böhmen. Im Jahre 1450 entriß der Gutsherr von Mährisch-Kromau, Heinrich von Lipa, der Abtei alle Pfarrechte in Leipertitz. Die Klagen des Stiftes verliefen ergebnislos, und so blieben seit dieser Zeit das Dorf und die Pfarre der Herrschaft Mährisch-Kromau. Die Fürsten Liechtenstein, die späteren Herren von Mährisch-Kromau, haben immer wieder in die Geschicke unseres Heimatdorfes eingegriffen. Erst nach dem ersten Weltkrieg, im Jahre 1922, wurde das Patronat des letzten Besitzers von Mährisch-Kromau, Grafen Kinsky, eines Sohnes der Schwester des Fürsten Liechtenstein, aufgehoben und abgelöst. Im 16. Jahrhundert wurde Mähren zum größten Teil lutherisch. So hatte auch um das Jahr 1530 Leipertitz den letzten katholischen Pfarrer. Dann waren nacheinander zwei protestantische Prädikanten (Pastoren) tätig. Damals hatte Leipertitz aufgehört eine selbständige Pfarre zu sein. Nach dem Sieg des Kaisers Ferdinand II. in der „Schlacht auf dem Weißen Berge“ bei Prag (1620) wurde der Protestantismus in den kaiserlichen Ländern zurückgedrängt und der Katholizismus wieder gefördert. In dieser Zeit waren in Leipertitz zwei Jesuiten durch Volksmissionen sehr bemüht, das Volk wieder zum katholischen Glauben zurückführen. Unsere Gemeinde war damals 1626-1674 nach Hosterlitz eingepfarrt. Erst im Jahre 1674 ließ der Grundherr Fürst Hartmann von Liechtenstein das verfallene Pfarrhaus wiederherstellen und bestiftete die Pfarre neu. Seither besteht Leipertitz wieder als selbständige Pfarre. Bis zum Jahre 1781 war die Gemeinde Moskowitz nach Leipertitz eingepfarrt. Wegen des weiten Weges aber wurde das Dorf unter Kaiser Joseph II. im Jahre 1781 nach Frischau umgepfarrt. Die Matriken von Moskowitz bis zum Jahre 1781 sind heute noch unter den Leipertizter Pfarrbüchern.

Aus der Ortsgeschichte sind noch folgende Ereignisse von Bedeutung:

 

Kriegszeiten

Im 30jährigen Krieg vernichteten angeblich die Schweden den Ort Paulowitz, der sich 3 km südlich von Leipertitz befand. Nach einer Urkunde vom Jahre 1735 hatte der Ort einen Grundbesitz von 2.042 Metzen = 19 ¼ Lahn, der zur Gänze zu Leipertitz kam. Diese Grundstücke führen heute noch den Namen „Paulowitz – ödes Dorf“.

In den Jahren 1809 und 1813 wurde Leipertitz von den Franzosen arg heimgesucht.

Am 15. Juli 1866 erfolgte der Einmarsch der Preußen. Dieser Durchmarsch dauerte bis 30. Juli an welchem Tage der königliche Prinz Albrecht von Preußen den Ort passierte.

Am 2. August 1866 erfolgte wieder Einquartierung. Otto Edler von Bredow nahm Wohnung in der Pfarrei.

 

Epidemien

Im Dezember 1714 und Jänner 1715 fielen 16 Personen der Pest zum Opfer. 1855 wütete vom August bis Mitte September die Cholera, der 49 Personen erlagen. 1866 starben in der Zeit vom 2. August bis 30. September 51 Personen an Cholera, darunter 13 preußische Soldaten.

 

Grossbrände

Am 18. Juli 1842 brannte über dem Bach die ganze Nordseite des Dorfes ab. 106 Wohngebäude, 27 Scheuern, Schule, Pfarrhaus und auch der südliche Teil der Kirche wurden ein Raub der Flammen. Am 10. August 1860 fielen einem Großbrand 28 Wohn- und Wirtschaftsgebäude, 4 Scheuern und 3 Preßhäuser zum Opfer.

   

Die Pfarrkirche

Die Kirche von Leipertitz stand schon im Jahre 1278. Als Pfarrkirche ging sie 1626 ein und wurde Filialkirche von Hosterlitz. Die Kirche steht auf dem alten Friedhof. Da sie später schon sehr baufällig war und ein – wie die Pfarrchronik sagt – „undenkliches Alter“ hatte, wurde sie 1789/90 neu erbaut. Man trug sie von der Südseite her ab, der alte massive Turm aber und die Nordseite blieben zwei Drittel in der Länge stehen. Die Benedizierung (Weihe) der neuen Kirche erfolgte 1791. Der ganze Bau kostete 2.223 Gulden. Bei dem schon erwähnten Großbrand am 18. Juli 1842 wurde auch der südliche Teil der Kirche ein Raub der Flammen, ebenso das Pfarrhaus. Der Kirchenpatron ließ alles wieder herstellen.

Der gemauerte Aufgang auf das Musikchor im Innern der Kirche wurde 1849 abgetragen, da infolge der steten Bevölkerungszunahme die Kirche zu klein geworden war. Um etwas Platz zu gewinnen, verlegte man den Choraufgang nach außen. 1853 ließ der Patron alle 8 Fenster erneuern und mit eisernen Gittern versehen. Die Vorhalle beim Seiteneingang wurde 1891 erbaut zum Schutz gegen Schnee und Regen, die durch die einfache Tür in die Kirche eindrangen.

   

Der Turm

Der Turm stammt in seinen steinernen Grundmauern aus alter Zeit. Er hatte früher eine gemauerte Spitze und bei den Schallöchern einen gemauerten Rundgang. Dieser wurde 1881 abgetragen, die Turmspitze erhöht und mit Kupferblech beeckt. Gegen Ende des 1. Weltkrieges (1918) ersetzte man das Kupferblech durch Zinkblech. Jetzt ist der Turm 37 m hoch. Vor dem 1. Weltkrieg hatte er 5 Glocken:

Die Marienglocke, 650 kg, aus dem Jahre 1803.

die Georgsglocke, 320 kg, aus dem Jahre 1808,

das Glöckel, 130 kg, vom Jahre 1737,

das Wandlungsglöckel, aus dem Jahre 1766,

das Zügenglöckel, 1741.

In beiden Weltkriegen musste die Glocken abgeliefert werden. Auf dem Turm sind heute nur die zwei größeren Guß-Stahlglocken, die nach dem ersten Weltkrieg als Ersatz angeschafft worden waren.

Im Jahre 1897 wurde auf dem Turm ein Uhr angebracht.

   

Das Innere der Kirche

Der Innenraum der Kirche ist sehr schön und gut zu überblicken.Wegen Bauschäden mußten das Gewölbe und die Seitenmauern öfter renoviert werden, so in den Jahren 1864, 1877 und 1912.

Der Hochaltar wurde 1856 von der Gemeinde neu angeschafft. Ein Wiener Maler malte 1912 das Hochaltarbild des Kirchenpatrons St. Georg. Der Seitenaltar – im Laufe der Zeit öfter umgebaut – war immer Marienaltar. Die Marienstatue mit dem Jesukind („Himmelskönigin“) stammt aus dem Grödner Tal in Südtirol. Der Taufbrunen aus Stein ist sehr alt. Die holzgeschnitzte Kanzel ist neueren Datums. Wohltäter stifteten 1926 neue Fenster mit schönen Glasmalereien (Herz Jesu, Herz Mariä, Mariä Opferung, Mariä Heimsuchung, gegeißelter Heiland, Hl. Cyril und Method). Im selben Jahre wurde auch das elektrische Licht in die Kirche eingeleitet. Die im Jahre 1883 angeschaffte Orgel wurde später vergrößert und die zum Teil im 1. Weltkrieg abgelieferten Orgelpfeifen 1923 wieder nachgeschafft. In der Kirche ist auch eine alte, holzgeschnitzte Statue der schmerzhaften Mutter Gottes von Maria Dreieichen und aus neuerer Zeit eine Statue der Unbefleckten Empfängnis (Lourdes). Das Hl. Grab und die Weihnachtskrippe wurden während des 2. Weltkrieges neu angeschafft.

Der Stiegenaufgang vor der Kirche wurde 1940 beim Neubau der Straße völlig verändert. An den Stiegen stehen zwei küntlerisch wertvolle Statuen des hl. Josef und des hl. Antonius von Padua aus dem Jahre 1730. Neben dem Kircheneingang ist das 1910 geweihte Missionskreuz. Links, auf der Turmseite der Kirche, steht auf einer Steinsäule die Statue der Unbefleckten Empfängnis, die bis zur Errichtung des Kriegerdenkmals im Jahre 1921 ihren Standplatz vor der Schule hatte.

 

Die Pfarrer von Leipertitz

Michael Putsch                   1674-1676
Maxmilian Raab                 1676-1694
Laurenz Springer                1694-1706
Gregor Puletz                     1706-1717
Maximilian Humpel             1717-1719
Martin Prosky                    1719-1724
Maximilian Schiller             1724-1733
Georg Anton Dupal            1733-1740
Daniel Weisser                   1740-1753
Johann Schillinger               1753-1757
Andreas Èech                    1757-1766
Anton Anschiringer             1766-1795
Ernest Èek                         1795-1823
Ignaz Hummel                     1823-1858
Andreas Boigner                 1858-1881
Karl Weber                        1881-1888
Johann Hofer                      1888-1931
Franz Slaby                        1931-1938
Dr. Johann Zabel                1938-1946

   

Der Friedhof

Der alte Friedhof war bis 1790 um die Kirche herum. Noch heute ist unter dem Sakristeifenster von außen der Eingang in eine Gruft, 3 m breit, 5 m lang, mit Totengebeinen aus dem alten Friedhof. Die Gemeinde legte 1790 den neuen Friedhof außerhalb des Ortes an, umgab ihn 1818 mit einer Mauer und errichtet das große steingehauene Friedhofskreuz. 1903 mußte der Gottesacker vergrössert werden.

   

Kreuze und Statuen

Außer den schon genannten kirchlichen Denkmälern sind noch folgende Statuen und Kreuze im Ortsbereich zu nennen:

Die Statue der Hl. Dreifaltigkeit; 1870 beim Friedhof errichtet von Peter Tröpsch.

Das älteste religiöse Wahrzeichen ist das gemauerte Marterl an der Dürnholzer Straße. Unweit der Kirche steht die Statue des hl. Johannes von Nepomuk mit der Jahreszahl 1743; an der Frischauer Straße eine Statue der hl. Familie, 1780 von Daniel und Barbara Fischer errichtet.

Kreuze stehen: am Fröllersdorfer Weg, 1802 errichtet von Matthias Schmid; am Moskowitzer Weg, 1850 errichtet von der Gemeinde; an der Dürnholzer Straße, 1909 errichtet von Anna Maria Ivenz. Zwei Muttergottes-Bildstöcke: an der Frischauer Straße, 1935 errichtet von Matthias und Theresia Winkler, und an der Grusbacher Straße, 1935 errichtet von Maria Geier (an Stelle des alten Mariahilf-Stöckels). Außerhalb des Ortsbereiches war ein Kreuz an der Grusbacher Straße, errichtet von Georg Schmid. An der Dürnholzer Straße stand das „Rote Kreuz“, ein altes Holzkreuz, das von Familie Laurenz Vieh errichtet wurde. Ein zweites Holzkreuz war bei Voglers Ziegelofen, errichtet von Vinzenz Vogler.

 

Die Volksschule

Die Schule von Leipertitz soll durch den Gutsherrn von Mährisch-Kromau, Fürst Hartmann von Liechtenstein, im Jahre 1674 gegründet worden sein. Im selben Jahr wurde ja auch die Pfarre wieder errichtet und das Pfarrhaus neu aufgebaut. Ursprünglich war die Schule nur einklassig und im Haus Nr. 134 (Oppolzer) untergebracht. Im Jahre 1818 errichtete der Gutsherr Karl Fürst von Liechtenstein ein neues Schulgebäude. Beim großen Brand am 18. Juli 1842 brannte es ab, wurde wieder aufgebaut und 1869 durch einen Zubau vergrößert. Die Schule wurde nun zweiklassig. Dieses Schulgebäude war das jetzige Gemeindegasthaus, der Zubau der Gasthaussaal. Das Gebäude entsprach später nicht mehr den Anforderungen und war für die große Schülerzahl zu klein. Daher wurde 1884/1885 die neue Schule erbaut. Der Bau kostete 24.000 Gulden. Die Schule hatte 4 Klassenräume, 1 Lehrmittelzimmer, 1 Konferenzzimmer und Wohnräume für den Oberlehrer und einen Lehrer.

An das stockhohe, eindrucksvolle Gebäude schloß sich der Schulgarten and ein geräumiger Turnplatz an.

Verdienstvolle Oberlehrer der jüngsten Zeit waren Josef Seifert, Josef Pohl und als letzter Franz Fiala.



Leipertitz zwischen 1918-1946

Am 28. Oktober 1918 wurde in Prag die Tschechoslowakische Republik ausgerufen. Noch vor den Friedensverhandlungen kamen Ende November tschechische Soldaten in unsere Gemeinde. Die Bevölkerung war darüber entsetzt, dass das seit vielen Jahrhunderten deutsche Südmähren zum tschechischen Staat gehören sollte. Alles hoffte auf die 14 Punkte des Selbstbestimmungsrechtes der Völker, die der amerikanische Präsident Wilson verkündet hatte.

Doch bei den Friedensverhandlungen in St. Germain wurde das Sudetenland, einschliesslich Südmähren, gegen seinen Willen dem tschechoslowakischen Staat eingegliedert. Die neuen Verhältnisse brachten auch unserer Gemeinde viel Leid. Im Feber 1919 war die „Geldabstempelung“, bei der die Hälfte der Banknoten verloren ging. Vermögensabgabe und Wertzuwachsabgabe wurden vorgeschrieben und die Kriegsanleihen ohne Vergütung eingezogen. Die Weinsteuer wurde eingeführt und die Keller vom Finanzamt kontrolliert.

Die Abschnürung von Österreich, hauptsächlich von Wien, brachte eine neuerliche Teilung der Grundbesitze mit sich. Die Häuserzahl stieg von 323 auf 391 an. Als sich bis 1938 das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen immer mehr zuspitzte, verlangten die Deutschen die Autonomie. Anfang September wurde Leipertitz vom tschechischen Militär besetzt und im Hause 109 ein Kommando untergebracht.

In der Nacht zum 24. September 1938 erfolgte die Mobilmachung der tschechischen Armee und erfasste alle Männer bis zum 40. Lebensjahr. Am frühen Morgen des 24. September wurden einige Männer verhaftet und als Geiseln nach Brünn abgeführt. Pferde mussten abgeliefert werden, ungediente Männter wurden zu Arbeitstrupps eingezogen, um Schützengräben und Stellungen zu graben. Die Kriegsgefahr nahm täglich zum, bis die Tschechen am 29. September nach dem Münchner Abkommen der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich zustimmten.

Nach Münchner Abkommen begann mit 1. Oktober 1938 die etappenweise Abtretung des Sudentenlandes. Am 8. Oktober  verliessen die letzten tschechischen Soldaten Leipertitz. Um halb 1 Uhr mittags kreitsten deutsche Flieger über dem Gemeindegebiet. Die einziehenden deutschen Truppen wurden von der Bevölkerung freudig begrüsst. Unsere Heimat war wieder vereint mit Österreich, zu dem es durch Jahrhunderte gehört hatte. Dadurch trat im wirtschaftlichen Leben unserer Heimat ein grosser Aufschwung ein. Doch war dies alles leider nur von kurzer Dauer.

Mit dem Krieg gegen Polen im September1939 wurde der zweite Weltkrieg entfacht. Grosse Siege führten zuerst zur Besetzung von Polen, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland und der nordafrikanischen Küste. Deutsche Truppen drangen bis vor Moskau und nach Stalingrad. Aber der Eintritt Amerikas in den Krieg, die Niederlagen in Nordafrika und Stalingrad waren der Anfang des folgenden Elendes. Der entscheidende Endkampf kam dann unserer Heimat immen näher.

Im April 1945 drangen russische Truppen bis in unsere südmährische Heimat vor. Leipertitz wurde als Stützpunkt mit Schützenlöchern, Maschinengewehrständen und Panzersperren ausgebaut. Am 17. April wurde die Bevölkerung zwangsweise evakuiert, kehrte aber im Laufe der nächsten drei Tage wieder zurück.

Am 5. Mail fielen die ersten Schüsse auf Leipertitz. Zwei Frauen (Spandl Theresia 341 und Schmid Julie 381) und fünf ungarische Soldaten fanden dabei den Tod. Am 6. Mai um halb 11 Uhr vormittags war die zweite Beschiessung, die erheblichen Sachschaden anrichtete. Am 7. Mai erfolgte der Grossangriff auf Leipertitz und Umgebung. Ab halb 5 Uhr früh beschossen die Russen pausenlos die Ortschaft. Eine Frau (Spandl Hedwig 19) war das Opfer dieser Beschiessung und 30 Soldaten starben den Heldentod.

Auch der Sachschaden war durch den Abwurf von Fliegerbomben, eines sogenannten „Bombenteppichs“, sehr gross. Viele Häuser, der Kirchturm und die Kirche wurden durch Granaten und Fliegerbomben schwer beschädigt. Durch den Luftdruck einer einschlagenden Bombe stützte ein Teil des Kirchengewölbes im Presbyterium ein und zerstörte den Seitenaltar völlig. Die Muttergottesstaute des Altars wurde später – wie durch ein Wunder – unversehrt aus den Trümmern geborgen.

Um 7 Uhr abends drangen die Russen in den Ort ein. Nun folgten die Greuel eines verlorenen Krieges mit allen Schikanen und Grausamkeiten. Diese 48 Stunden, da alles vogelfrei war, werden allen, die sie miterlebt haben, in grausiger Erinnerung bleiben.

Am 8. Mai wurden sämtliche Pferde mit Geschirr, zum Teil auch mit Wagen weggenommen und die Häuser laufend geplündert. Fünf Volkssturmmänner wurden gefangen auf ein Auto verladen und nach Gross-Olkowitz vor ein Feldgericht geschleppt, am späten Abend jedoch wieder freigelassen. Am 9. Mai mussten Mädchen und Frauen bis zu 50 Jahren die Kirschbäume an den Strassen mit Kalk anstreichen. Die Männer mussten tote Pferde begraben und die Strassen freimachen. 5 Knaben (Bründl Johann 164, Hofka Engelbert 160, Kreuz Ernst 339, Nowak Gerhard 241, Spandl Franz 77) fanden im Wald durch eine Mine den Tod. Die männliche Bevölkerung musste dann täglich zur Arbeit antreten, sämtliche Panzersperren entfernen, Schützenlöcher und Splittergräben einebnen.

Laufend fanden Einquartierungen von Russen statt und für die durchziehenden Truppen mussten Milch und Lebensmittel in der Schule abgeliefert werden.

So endete dieser unheilvolle Krieg, den eine verantwortungslose Regierung zum Leidwesen des ganzen deutschen Volkes entfacht hatte, mit all seinen Greueln in unserer südmährischen Heimat. Für Millionen Menschen bedeutete er den Verlust des Lebens, der Gesundheit, der Existenz und der Heimat.

*

Am Pfingstsonntag, den 20. Mai 1945, nahmen tschechische „Partisanen“ Leipertitz in ihre Gewalt. Nach Verhängung des Standrechts mussten sämtliche Waffen, militärische Gegenstände, Radios und Fahrräder, soweit sie nicht schon Russen mitgenommen hatten, abgeliefert werden. Am Pfingstmontag mussten die Männer zum Bahnbau nach Grusbach. Da in den letzten Kriegstagen am Bahnhof die Geleise gesprengt worden waren, sollte die unterbrochene Verbindung zwischen Znaim und Lundenburg wieder hergestellt werden. Täglich musste nun zur Arbeit angetreten werden.

Die Partisanen nahmen Hausdurchsuchungen vor, bei denen Vieh und Getreide beschlagnahmt und Gegenstände, die Gefallen fanden, mitgenommen wurden. Fett, Zucker, Hülsenfrüchte, Wein u.a. mussten in der Schule abgeliefert werden. Am 13. Juni wurden Funktionäre der Partei ins Gefängnis nach Nikolsburg eingeliefert. Nun kamen die ersten „Goldgräber“ zur Besichtigung der Häuser und Wirtschaften ins Dorf. Ende Juni begann, von den Partisanen eingeführt, der Aufzug der „Verwalter“, wie sie sich zuerst nannten. Die bisherigen Besitzer mussten als Knechte und Mägde für etwas Essen auf ihrem Hof weiterarbeiten oder wurden ganz einfach, ohne ihre Kleidung und Wäsche mitnehmen zu dürfen, aus dem Hause gejagt. Die neuen „Herren“ liessen sich´s gut gehen, betätigten sich als Schatzgräber und fuhren das gestohlene Gut in ihre Heimat. Die Ernte, die in diesem Jahr, troztdem die Kriegsfurie darübergebraust war, sehr gut ausfiel, musste von der deutschen Bevölkerung eingebracht werden. Für die neuen Herren aber galt der Satz: „Sie säten nicht, sie ernten nicht, aber sie fuhren das Getreide für sich in die Scheunen“. Schon vor, besonders aber nach der Unterzeichnung des Potsdamer Schandvertrages rief Benesch zur Vertreibung der Deutschen auf mit den Worten: „Nehmt den Deutschen alles bis auf ein Taschentuch, in das sie weinen können“.

Am 11. August wurden sieben Familien nach Österreich ausgewiesen. Denselben Nachmittag wurden sämtlich Männer ohne Unterschied des Alters zusammengetrieben und in die Autogarage des Hauses 109 gesperrt. Erst bei Morgengrauen wurden sie wieder freigelassen. Sonntag, den 12. August, erfolgte die Hofübergabe an die neuen „Besitzer“ vor dem seiner deutschen Aufschrift beraubten Kriegerdenkmal.

Grosse Plakate in tschechischer Sprache: „Tschechischer Boden in tschechische Hand“, „Wer den Boden bearbeitet, dem gehört er“, „Deutsche hinaus“, „Heim ins Reich“, usw. zeigten die kommenden Ereignisse deutlich an. Die „Verwalter“ spielten sich von jetzt ab als Herren auf. Für die Deutschen wurden Lebensmittelkarten mit dem Aufdruck „Deutsche“ ohne Fleisch- und Fettabschnitte ausgegeben. Am linken Arm mussten alle eine weisse Binde mit einem schwarzen N (= Nìmec = Deutscher) tragen. Die deutsche Bevölkerung wurde ständig durch Terrorakte drangsaliert, geängstigt in Schach gehalten. Am 17. September (Kirtagmontag) wurden 27 Männer und Knaben mit 15 Jahren, 44 Frauen und Mädchen als Arbeitsklaven in das Lager Nikolsburg eingeliefert und von dort ins tschechische Gebiet verschickt. Weitere Mädchen wurden später geholt. Daraufhin flohen viele nach Österreich. (Frau Rosa Zitzwarek 338 wurde an der Grenze auf der nächtlichen Flucht von tschechischen Soldaten erschossen.) Die arbeitsfähigen Leipertitzer mussten ständig zur Arbeit antreten und wurden oft bis nach Guldenfurt eingesetzt. Die meisten wurden aus ihren Häusern in leere kleine Wohnungen ausgetrieben und verloren dabei einen Grossteil ihrer Kleider und Wäsche.

Nach all den schweren Drangsalen erfolgte dann vom Nikolsburger Lager aus vom 8. März bis 25. Juli 1946 „in ordnungsgemässer und humaner Weise“ die Aussiedlung = Vertreibung der Leipertitzer nach Deutschland. Die Sieger hatten allem Völkerrecht zum Hohn, in ihrem Hass gegen die Deutschen in Potsdam zur Vertreibung ihre Zustimmung gegeben. Heute lebt die ganze Bevölkerung von Leipertitz fern der geliebten Heimat, weit verstreut in Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und ein kleiner Teil in Österreich.

   

Die Bürgermeister von Leipertitz

Franz Fischer                 126
Gallus Vogler                   68
Georg Spandl                 121
Johann Winkler                  2
Leonhard Schmid           172
Johann Waas                   43
Vinzenz Vogler               104
Ignaz Brunner                   59
Vinzenz Vogler               104
Leopold Brunner              64
Benedikt Eschler             248
Sigmund Schmid             208
Engelbert Bauer                98
Vinzenz Eschler               104
Leopold Brunner             101
Richard Seethaler            174

 

Unsere Gefallenen und Vermißten

1. Weltkrieg (1914-1918) – 48 Männer

2. Weltkrieg (1939-1945) – 94 Männer

 

Hausbesitzer und Einwohner von Leipertitz im Mai 1945

1318 Einwohner wohnten im Jahr 1945 in 391 Häusern.

   

Grenzbegehung

Nach alter Überlieferung wurde am Markustag, den 25. April, alljährlich eine Grenzbegehung, im Volksmund „Granitzen“ genannt, durchgeführt. Zuerst war Gottesdienst: Bittmesse und Bittprozession mit den Stationen bei der Statue der hl. Familie an der Frischauerstraße, beim Kreuz am Moskowitzerweg, bei der Dreifaltigkeit an der Irritzerstraße und an der Maria unbefleckte Empfängnis-Statue bei der Kirche.

Um ½ 9 Uhr versammelte sich dann die Gemeindevertretung in der Gemeindekanzlei. Der Bürgermeister wies auf die Bedeutung des Tages hin und dann wurden die jüngsten Gemeindevertreter beauftragt, den Grenzganz in 4 Gruppen durchzuführen.

Ausgangspunkte waren der Treskowitzerweg links und rechts und die Grusbacherstraße links und rechts. Wir folgen nun den Männern vom Ausgangspunkt Treskowitzerweg links. An der Kirchlüss Treskowitzer-Irritzer Grenze an der Irritzlüss entlang bei Hans Matthäus´ Irritzlüss biegen wir nach links. An der Tullnitzer Grenze geht es über Wehrhagen zum Moskowitzerweg. Von hier ab beginnt das Frischauer Nachbargebiet. Über die Siebenvierteläcker geht es zur Frischauerstraße zum Niegelseebrückl. Hier an Niegelsee und Haidlüss entlang kommen wir zur Probitzer Grenze. An das Äussere Feld grenzt nun Grusbach an mit der tschechischen Kolonie. Neben Johann Wantschars Obere Paulowitz geht es nach rchts zum Geierspitz, links entlang zur Grusbacherstraße. Diese wird überquert und es geht weiter, an Unter Paulowitz und Haidäcker vorbei, der Grenze Leipertitz, Grusbach, Fröllersdorf zu. Hier finden wir große Grenzsteine mit dem Zeichen F.H. v.L. 1684. Sie stammen von einem Grenzvergleich zwischen dem Fürsten Hartmann von Liechtenstein und dem Grafem Wenzel von Sternberg, betreffend die Grenzen von Leipertitz und dem öden Dorf Paulowitz, Dürnholz und Fröllersdorf. An Haidäcker, Unteres Kroatengebirg und Kurze Weide vorbei kommen wir an den Trenkteich. Dieser reicht in Triangelform ins Leipertitzer Gebiet. Hier grenzt Dürnholz an. Bei dem Neusatz geht es etwas bergauf an Alte Heiden und Haiden vorbei zur Dürnholzerstraße. Diese wird überquert und nochmals den Haiden entlang kommen wir zu den Langen Zugaben und dem Grenzdreieck Leipertitz-Dürnholz-Treskowitz. Bis hierher finden wir die Grenzsteine mit dem Zeichen F.H. v.L. 1684. Neben dem Treskowitzer Gebiet, entlang der Langen Zugabe des Johann Schmid, kommen wir zu den Kurzen Zugaben. Bei Gregor Winklers Acker gehen wir an den Kurzen Zugaben, Langen Vierteläckern und Vierteläckern, im Volksmund „Broaten“ genannt, vorbei, dem Ausgangspunkt Treskowitzerweg zu.

So sind wir die ganze Gemeindemarkung von Leipertitz, die eine Fläche von 2.225,49 ha umfasst, umgangen.

Nun ging es heimzu. Da es bereits ½ 2 Uhr nachmittags geworden war, hat sich Hunger und Durst eingestellt. Im Extrazimmer des Gemeindegasthauses wartet der Bürgermeisten mit dem Gemeinderat. Eine Tafel ist vorbereitet und der Wein glänzt wie Gold in den Gläsern. Nun wird der Hunger gestillt, der Durst gelöscht und von dem Gesehenen erzählt.

Nach dem Essen werden die Bauplätze besichtigt und vermessen, die Bauvorhaben besprochen und all die Anliegen und Beschwerden der Anrainer entgegengenommen. Dann geht es in die Gemeindekanzlei zur Sitzung, Berichterstattung über die Grenzbegehung, Vergebung der Bauplätze und Bewilligung der Bauvorhaben. Dabei wird so manche Ecke geradegezogen und mancher Buckel neu dazugemacht. damit war der Offizielle Teil des Tages beendet.

Nun folgte im Gemeindegasthaus der gemütliche Teil. Die einen politisieren, die anderen spielen Karten. Dabei wird dem Wein fleißig zugesprochen und auch, wenn der Zeiger der Uhr auf  Mitternacht rückt, so manches Lied gesungen.

Wie schön und bedeutungsvoll dieser Tag für uns war, erkennen wir erst heute, da wir weit von den heimatlichen Gefilden ohne Grund und boden leben müssen.

 

Die Flurnamen von Leipertitz  

Irritzerstraße links und rechts: Irritzlüss.
Vom Friedhof bis zum Treskowitzerweg: Kirchlüss.
Treskowitzerweg und Dürnholzerstraße links: Vierteläcker, Lange Vierteläcker,
Lange Achtvierteläcker, Kurze Zugaben, Lange Zugaben, Haiden.
Dürnholzerstraße rechts bis zum Gemeindebach: Vierteläcker, Hausgärten,
Alte Weingärten, Kurze Achtvierteläcker, Fuchsleiten, Lange Haiden,
Alte Haiden, Neusatz.
Gemeindebach rechts bis zum Fröllersdorferweg: Breiten, Teichlüss,
Mittlere Teichlüss, Kurze Weide.
Fröllersdorferweg rechts bis zur Grusbacherstraße: Kurze Innerlüss,
Hofstetten, Teichlüss, Wilde Sau, Sandhügel, Oberes Kroatengebirg,
Unteres Kroatengebirg, Schwelle, Haidäcker, Unter Paulowitz, Äusseres Feld.
Grusbacherstraße rechts bis zur Frischauerstraße: Kurze Innerlüss,
Siebenvierteläcker, Hofstetten, Kurze Innerlüss, Äußeres Feld,
Ober Paulowitz, Haidlüss, Lange Innerlüss, Niegelsee.
Frischauerstraße rechts bis zum Moskowitzerweg: Siebenvierteläcker,
Kurze Wehrhagen.
Moskowitzerweg rechts bis zum Tullnitzerweg: Wehrhaben, Irritzlüss.
Ortsgebiet und Häuser: Ortsried.



Der Fronleichnamstag

Unsere Fronleichnamsprozession war überaus feierlich. Die ganze Bevölkerung beteiligte sich daran. Die Häuser waren alle frisch getüncht, Fenster, Türen und Tore gestrichen. In den Häusern vor denen die vier Altäre aufgestellt werden sollten, gab es am Vorabend viel Arbeit. Verwandte und Bekannte bereiteten alles für die Aufstellung der Altäre vor und die Mädchen waren zum Flechten der Kränze eingeladen. Bis zur Jahrhundertwende wurde in diesen Häusern vorher schon viel gebraten und gebacken, um alle Helfer köstlich zu bewirten. In unserer Zeit beschränkte sich dieses grosse Bewirten auf die engste Verwandtschaft. Die übrigen Helfen bekamen „Flecken“ und Wein.

Am Mittwoch nachmittags fuhren die Bauern um Sand und gegen Abend holten sich aus dem Wehrwald Erlenbäumchen. Am Fronleichnamsmorgen weckten Böllerschüsse aus dem Schlafe. Eilig wurde der Sand gestreut, die Erlenbäumchen aufgestellt und der Weg mit Gras und Blumen bestreut. Viel Arbeit gab es bei den vier Altären. Ein Holzrahmen musste aufgestellt werden, in dem drei Reihen mit je drei oder vier Bildern eingeschoben werden konnten und darüber kamen geflochtene Kränze. Die Hauptsorge aber galt dem Altar, den fleissige Hände aufbauten, mit den schönsten Blumen schmückten und mit grossen Erlenbäumchen umsäumten.

Um 8 Uhr strömten alle Leute in die Kirche. Feuerwehr, Veteranen, Turner und Jugendbünde erschienen mit Fahnen. Nach dem feierlichen Hochamt verliess der Seelsorger, der das Allerheiligste trug, unter dem Baldachin die Kirche. Böller krachten, die Musik fiel ein und der erste Segen wurde erteilt. Nun setzte sich der Zug in Bewegung. Voran gingen die Schulkinder mit der Fahne, dann weissgekleidete Mädchen blumenstreuend, die Musikkapelle, der Kirchenchor, von Vereinen flankiert der Priester mit dem Allerheiligsten unter dem „Himmel“. Vier Gemeinderäte trugen Laternen und zwei Burschen die Kirchenfahnen. Dann folgten Bürgermeister und Gemeindevertretung, die Kirchenräte, hernach die Burschen und Männer, die Mädchen und Frauen, alle laut betend: „Hochgelobt und gebenedeit sei ohne End´ das allerheiligste Sakrament“. So ging es dem ersten Altare zu, vor dem Hause Nr. 99 (letzte Besitzer Johann und Elisabeth Vogler). Nach der heiligen Handlung zog die Prozession in derselben Gasse zurück zu zweiten Altar beim Haus Nr. 59 (Engelbert und Elisabeth Brunner), und wieder krachten die Böller von der nahen Schmiede. Von hier ging es betend und singend zum dritten Altar, Haus Nr. 125 (Vinzenz und Maria Vogler), und dann zurück, den Kirchberg hinan zum vierten Altar zum Haus Nr. 113 (Franz und Maria Spandl). Zum Schluss der heiligen Handlung stimmte unser Pfarren das „Te Deum“ an und unter dem freudigen Gesang „Grosser Gott, wir loben Dich“ schritt die Prozession zurück in die nahe Kirche zum heiligen Segen. Damit war die Feier des Tages zu Ehren des allerheiligsten Sakramentes abgeschlossen.

So ähnlich hielten wir auch noch nach dem Kriege 1945 die Fronleichnamsprozession. Wir hatten damals feierlich keine Musik, keine Böller krachten mehr, denn alles war in gedrückter Stimmung. Als Gaffer und Zuschauer standen am Wege die Partisanen und andere tschechische Bedrücker, die die von den Deutschen gehaltene Prozession gerade noch zuliessen. Damals ahnten wir noch nicht, dass es die letzte Prozession in der Heimat sein sollte.



Das Kirchweihfest

Einige Zeit vor dem Kir(ch)tag kam die Burschenschaft der Gemeinde zusammen und wählte den „Altburschen“. Derjenige, der die höchste Stimmenanzahl erhielt, wurde Altbursch. Seine Stellvertreter waren die Burschen mit der nächsthöchsten Stimmenanzahl. Dann wurden die „Irten“ gebildet und der Kirtag besprochen.

Kurz vor dem Kirtag musste vom Bürgermeister die Erlaubnis zur Abhaltung desselben eingeholt und auch um die Tanzlizenz nachgesucht werden. Eine grosse Sorge der Burschen war manchmal das Finden der entsprechenden Tanzpartnerin. Da mussten dann die guten Tanten ihre ganze Beredsamkeit aufbieten, bis die Sache ins rirchtige Geleise kam.

Vor dem ersten Weltkrieg kauften die Burschen noch den „Irtenwein“, nach dem Krieg wurde der Wein einfach vom Wirt bezogen. Die Vorbereitung auf das Fest brachte viel Arbeit. Die Häuser zeigten aussen und innen das grosse Gründlichmachen. Die Frauen hatten alle Hände voll zu tun mit dem Bereiten der Kirtagstriezerln – Flecken genannt – und des übrigen Backwerkes. Auch die Gänse mussten rechtzeitig geschlachtet und gerupft werden, denn der Gänsebraten durfte zum Kirtag nicht fehlen. Die Kinder aber hatten schon jetzt Freudentage, denn auf dem Hauptplatz gab es bei der Aufstellung des Ringelspieles, der Schaukel und einer Schiessbude viel zu sehen und zu bewundern. Der Wirt errichtete längs des Gasthauses eine Laube und stellte Tische und Bänke für die Gäste auf.

Am Samstag nachmittags begannen die Irten mit dem Ebnen des Tanzplatzes. Sie gruben auch gleich das Loch für den Tanzbaum und errichteten um den Tanzplatz für die Frauen Sitzgelegenheiten. Auch eine Bühne für die Musikkapelle durfte nicht fehlen, die vor dem Kriege aus einem Leiterwagen, später aber auch Brettern errichtet wurde. Unterdessen fuhr unter Schellengeläute und grosser Begeisterung der Kinder der Altbursch mit seinen Pferden auf. Das Pferdegeschirr war reich beschlagen mit glänzendem Messig und Pferden und Wagen überdies noch mit vielen Maschen verziert. Nun ging es unter frohem Gesang in die Schottergrube um Sand und in den Wahrwald um den Tanzbaum. Als Schmuck des Baumes dienten eine Fahne, die Fähnchen der Assentierten und viele Maschen. Aufgestellt wurde er unter lautem „Ho-ruck“ am Abend, wozu sich ein ziemlicher Teil der männlicher Ortsbewohner einfand.

Am Sonntag kamen schon in aller Früh die Lebzelter und Zuckerwarenhändler und schlugen ihre Stände auf. Um 8 Uhr formierten sich die „Irten“ zum gemeinsamen Kirchgang. Der An- und Abmarsch zum und vom feierlichen Gottesdienst erfolgte unter den Klängen einer zwölf Mann starken Musikkapelle. Von halb 12 bis 12 Uhr wurde die weltliche Kirchtagsfeier durch ein Platzkonzert vor dem Gasthaus eingeleitet.

Um 2 Uhr nachmittags holte die Musik die „Altdirn“ und die Irtenpaare ab. Unterdessen hatte sich die ganze Bevölkerung auf dem Tanzplatz eingefunden. Die Männer nahmen unter der Laube des Wirtes Platz, die Frauen auf den für sie gerichteten Sitzen am Tanzplatz.

Mit einem schneidigen Marsch marschierten – voran der traditionelle Platzputzer – die Irten, die Mädchen am Arm, auf den Tanzplatz, wo sie einmal im Kreis herumgingen. Der Zug, mit dem Altbursch an der Spitze, blieb dann bei den Musikanten stehen. Nun wurden Tusche gespielt, bei denen man die mit langen bunten Schleifen verkleidete „Irtenflasche“ mit Wein zum Trinken weiterreichte. Nachher spielten die Musikanten zum Tanze auf, bei dem die Irtenpaare im Kreis tanzten. Dadurch war es besonders den Frauen auf den Bänken gut möglich, jedes Paar genau zu betrachten und zu „mustern“. Nach dem Tanz blieben die Mädchen am Arm ihrer Burschen, und erst nach dem dritten Tanz stellten sie sich in einem Halbkreis auf und Irtenburschen zogen ins Gasthaus zurück.

Nun begann das sogenannte „Aufziehen“, angeführt vom Altbursch. Er trug den „Rowisch“ mit meterlangen Schleifen. Der Rowisch war eine polierte Doppelschiene, die man zusammenlegte und die bezogenen Liter Wein darauf einkerbte. Einen Teil behielt der Wirt, den zweiten Teil der Altbursch zum Zeichen seiner Würde. Den Anfang mit dem Aufziehen machten die alten Burschen, die meist schon militärfrei waren. Sie bekamen drei Tänze zugebilligt. Der erste war ein Pflichttanz mit den Irtenmädchen, beim zweiten Tanz suchte sich jeder seine eigene Tänzerin. Dies erregte bei den Frauen und Müttern berechtigte Neugierde, denn durch diese Wahl wurde so manche sorgsam gehütete Liebschaft offenbar und oft auch der Weg für ein gemeinsames Leben dabei angebahnt. Dann folgten im Aufziehen die Urlauber und jüngeren Burschen, bei denen es oft noch mit dem Tanzen happerte. Sie erhielten daher die spöttische Bezeichnung „Mist“.

Die Burschen aus den Nachbargemeinden waren nun auch schon angekommen und zogen nun nach der Reihenfolge ihres Eintreffens auf.

Dies alles dauerte oft bis gegen Abend, dann erst folgte der allgemeine Tanz.

Am Kirtagmontag gingen alle in die Kirche und dann in Prozession auf den Friedhof, um auch der lieben Verstorbenen an den festlichen Tagen zu gedenken. Um 10 Uhr wurde Bürgermeistern und Gemeinderäten, Pfarrer und Oberlehrer ein Ständchen dargebracht.

Um halb 2 Uhr erklang wieder Marschmusik und es wiederholte sich die gleiche Festfolge wie am Vortage. Gegen Abend wurden dann die Männer mit Musik aus dem Gasthaus zum Aufziehen abgeholt. Weil von den Irten verschiedentlich ein Hut, bzw. ein Ziegenbock gespendet wurde, hiess dieser Tanz auch „Hut- oder Bocktanz“. Nach einem Tanz mit den Irtenmädchen tantzten die Männer mit ihren Frauen. Vor dem Abgang wurde dann die Trommel aufgestellt und daraufgeschlagen. Jeder der Männer legte nun Geld nach freiem Ermessen darauf. Nach dem Abendessen blieben die Männer mit ihren Frauen nocht eine Zeitlang beim Tanz.

Der Kirtagdienstag verlief nachmittags wie an den Vortagen. Vor dem 1. Weltkrieg waren die Irten an diesem Tage allein beim Tanz, da die Bevölkerung bereits auf den Feldern arbeitete. Das Kirchweihfest fiel damals gerade in die Kartoffel- und Rübenernte. Im Jahre 1919 verlegte es jedoch die damalige Gemeindevertretung um 4 Wochen vor. So wurde der Kirtag von nun an immer im September am Sonntag nach Ludmilla (16.9.) abgehalten. Dadurch konnte auch noch der Dienstag von der ganzen Bevölkerung mitgefeiert werden. Sonntags darauf war Nachkirtag, eine Wiederholung des vorhergehenden Sonntags.

Die Kosten des Kirtags trugen die Irten und ihre Mädchen. Nur die Burschen zahlten für das Aufziehen ihren Beitrag. Vor dem Weltkrieg gehörte der Beitrag der Männer den Musikanten, nach dem Kriege aber zur Hälfte den Irten.

Diese vier Tage waren ein Volksfest für alle und jung und alt feierte mit. Waren diese vorüber, ging es ans Abbrechen der Bühne, des Ringelspieles und der Schaukel. Still und leer lag nun wieder der Hauptplatz da, verklungen waren all die trauten Weisen der Musikkapelle, verstummt der Lärm der Kinder und der Drehorgel, verschwunden all das Lachen und der Frohsinn des gemütlichen Beisammenseins der Bevölkerung von Leipertitz für ein ganzes Jahr.

Für ein Jahr? Nein, für viele Jahre! Denn der letzte Kirtag war im Jahre 1937 gehalten worden. Dann kam der furchtbare Krieg mit all seinen Schrecken, der Zusammenbruch und die Austreibung. In diesem Meer von Leid und Tränen gab es kein freudiges Kirchweihfest mehr. Der gütige Gott möge es geben, dass wir wieder einmal einen so frohen Kirtag in der lieben Heimat feiern dürfen!

   

Organisationen und Vereine  

Freiwilige Feuerwehr
Gründungsjahr 1886. Im Jahre 1936 wurde ein eigenes Rüsthaus mit Schlauchturm erbaut. Zu den alten Spritzen kam 1941 eine moderne Motorspritze, die jedoch bei Kriegsende die Russen als Kriegsbeute mitnahmen. Ungefähr 40-45 aktive Mitglieder. Letzter Kommandant: Rudolf Spandl.

Spar- und Darlehenskassa für Leipertitz und Umgebung (Raiffeisenkassa). Gegründet 1892. Seit 1931 im eigenen Haus (Nr. 316). Bei Kriegsende ca. 400 Mitglieder aus Leipertitz und Moskowitz. 1944 ein Jahresumsatz von ungefähr zwei Millionen Reichsmark. Letzter Obmann: Rudolf Eschler. Zahlmeister: Vinzenz Spandl 208.

Milchgenossenschaft. Gegründet 1925. seit 1926 im eigenen Haus (Nr. 349) mit Verwaltungsräumen, Kühlraum und Eiskeller. Täglich wurden zwische 1.000 und 1.200 Liter Milch übernommen und weitergeliefert an die Molkerei Hödnitz, später an die Molkerei Höflein a.d. Thaya. Letzter Obmann: Rudolf Eschler. Geschäftsführer: Johann Anger 174.

Veteranen–Verein. Gegründet 1913. Nach dem ersten Weltkrieg umbenannt in „Unterstützungsverein gedienter Soldaten“, nach 1938 „Kriegerverein“ genannt. Im Jahre 1944 zählte er 108 Mitglieder. Letzter Kommandant: Josef Nautscher. Stellvertreter: Eduard Vogler.

Männergesangverein. Von sangesfreudigen Männern 1898 gegründet. Seine Liedertafeln gehörten zu den beliebtesten Veranstaltungen in Leipertitz. Letzter Obmann: Josef Nautscher. Chormeister: Leopold Lustig.

Deutsch-völkischer Turnverein. Gegründet 1912. Der Verein blühte besonders nach dem ersten Weltkrieg auf. Seine Mitglieder beteiligten sich mit schönen Erfolgen an vielen auswärtigen Turnfesten. Seit 1930 wurde alljährlich am Ostermontag das Oster- oder Saatreiten durchgeführt. Letzter Obmann: Engelbert Brunner. Turnwart: Isidor Bründl. Reitwart: Stefan Nautscher.

Reichsbund der katholischen deutsche Jugend. 1926 gegründet, um die Jugend im heimatlichen und christlichen Geiste zu führen. Letzter Jugendbundobmann: Adolf Geier. Letzte Leiterin des Mädchenbundes: Angela Eschler.

Volksbund der deutschen Katholiken – Ortsgruppe Leipertitz. Zur Vertiefung des religiösen Lebens und Wissens in den deutschen Pfarrgemeinden der C.S.R. und in Südmähren besonder zur Förderung des deutschen Priesternachwuchses. Letzter Obmann: Franz Vieh 324.

Deutscher Kulturverband – Ortsgruppe Leipertitz. Zur Unterstützung des gefährdeten deutschen Schulwesens während der Tschechenherrschaft nach dem ersten Weltkriege. Letzter Obmann: Rudolf Eschler.

 

Wirtschaftsüberblick

Das Flächenausmaß der Gemeinde Leipertitz beträgt 2.225,49 ha. Leipertitz zählte zwar 391 Hausnummern, doch waren davon 29 Häuser unbewohnt und 36 Häuser ohne Landwirtschaft. Außerdem waren 34 Nummern nur Bauplätze. Somit verteilten sich die landwirtschaftliche Nutzfläche nur auf 292 landwirtschaftliche Betriebe. Diese kann man statistisch aufgliedern:

Landwirtschaften im Ausmaß                bis   5 ha                                152
                                                            bis 10 ha                                  81
                                                            bis 15 ha                                  29
                                                            bis 20 ha                                  17
                                                            bis 25 ha                                    8
                                                            bis 30 ha                                    3
                                                          über 30 ha                                   2
Summe der landwirtschaftlichen Betriebe                                      292

Die Zusammenstellung dieser landwirtschaftlichen Betriebe hinsichtlich des Ausmaßes umfaßt Eigengrund und Pachtfelder. Die Eigentumsverhältnisse sind anders, können aber derzeit nicht genau festgestellt werden.

 

Bodenbenutzung:

Kulturart:                        Ausmaß /ha/:                           durch. Erzeugung /in Waggon/:
Weizen                                     375                                                      110
Gerste                                      240                                                         75
Hafer                                       130                                                          35
Roggen                                      90                                                          20
Kartoffel                                  150                                                        300
Mais                                        190                                                          84
Futterrübe                                  80                                                        290
Zuckerrübe                                70                                                        230
Rotklee                                    150                                                            3 /Samen/
Luzerne                                    150                                                            2 /Samen/
Esparsette                                  40                                                            1 /Samen/
Mischling grün                            35                                                            6 /zusammen mit Wicken/
Wicken - Körner                       10                                                            
Linsen                                        10 /Körnergewinnung/                              1
Erbsen reif                                 30 /Körnergewinnung/                               7
Sojabohne, Lein, Mohn              30                                                            2
Hirse                                          20                                                            6
Futtermais                                  35                                                           
Wein                                          90 /bis zu 1 Million Stöcke/                     
Obstanlagen                               10 /Kirschen, Marillen, Weichsel, Zwetschken,
Gärten                                       30 Äpfel und Birnen/                                 –
Gemüse                                     50 /Karotten, Tomaten, Paprika, Kürbis,
                                                        Zwiebel, Petersilie u. dgl. Gurken,
                                                        Pflückbohnen, Erbsen/                      47
Wald                                         60
Hofraum                                    30
Gemeinde                                  60
Herrschaft                                  60                                                                                                    
                                              2.225 ha                                                1.219 Waggon

Die Bewirtschaftung erfolgte durch 4 Traktoren, Pferde- und Kuhgespann. Ausserdem waren ein Zapfwellenbinder, 29 Bindemäher und 82 Fruchtmäher in der Gemeinde vorhanden.

Pferdebestand:                      175 Pferde, 20 Fohlen (bis zu einem Jahr)

Rinderbestand:                    
Kühe                                    1100 Stück                          15 Waggon Fleisch, 120 Waggon Milch
Jungvieh                                  500 Stück                          14 Waggon Fleisch
Zuchtbullen                                 5 Stück                        Gemeindeverwaltung
Bullen                                         7 Stück                        privat bei den Bauern

Schweine:
Mastschweine                      1200 Stück per 150 kg, Erzeugung    19 Waggon
Zuchtsäue                              400 Stück mit 6-7000 Ferkeln           5 Waggon       
Zuchteber                                  4 Stück

Ziegen, Schaffe:
Ziegen zirka                           100 Stück
Schaffe zirka                            30 Stück  

Fedevieh:
Gänse                                  4.500 Stück                                        3 Waggon
Enten                                   3.000 Stück                                        1 Waggon
Truthühner                                80 Stück                                       ½ Waggon
Perlhühner                                50 Stück                                                     
Leghühner                            8.000 Stück                                1-1,5 Mio. Eier
Jung- und Schlachthühner     7.000 Stück                                        2 Waggon
Eier                                                                                                8 Waggon 

Gesamterzeugung in Waggon:                                          1 Waggon = 10 t
Erzeugung sämtlicher Feldfrüchte:                                             1.219 Waggon
Kühe, Fleischverkauf:                                                                    15 Waggon
Jungvieh:                                                                                       14 Waggon
Milch:                                                                                         120 Waggon
Schweine:                                                                                     19 Waggon
Ferkel:                                                                                            5 Waggon
Gänse:                                                                                            3 Waggon
Enten:                                                                                             1 Waggon
Hühner:                                                                                        2,5 Waggon
Eier:                                                                                                8 Waggon
Gesamterzeugung:                                                                  1.406,5 Waggon

   

Benützte Geschichtsquellen

1) Schwetter und Kern: Der politische Bezirk Nikolsburg, Nikolsburg 1884.

2) Wolny: Kirchliche Topographie Mährens.

   

Wohl ist die Welt so groß und weit

und voller Sonnenschein,

das allerschönste Stück davon

ist doc h die Heimat mein.

(K. Felderer)

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